Auf ins neue Abenteuer...
China hat mich überrascht. So westlich habe ich es mir nicht vorgestellt. Das fängt bei Apple Stores an, geht über die hauptsächlich elektronische Bezahlung, moderne Markenkleidung sowie die Selfiekultur und hört nicht bei elektrischen Fahrzeugen wie Shanghai Maple-Autos (oder andere kuriose chinesische Marken) und Rollern mit fast ausschließlich chinesischen Marken auf.
Für die Chinesen erscheinen wir wohl sehr exotisch, denn wir werden angelächelt, begrüßt und gern als Fotomotiv allein oder mit den Chinesen zusammen erwählt. Es scheint auch daran zu liegen, dass viele vom Land in die Stadt Gekommene das erste Mal Ausländer sehen.
Die Chinesen verbringen ihre 11,5 Urlaubstage im Jahr eher im eigenen Land. Wie zum Beispiel zur Goldenen Woche, in die wir mit der Reise starteten. Am 1. Oktober war Nationalfeiertag, der gleich auf eine Woche Staatsurlaub ausgeweitet wurde. Außer offizielle Ämter (Polizei, Museenmitarbeiter) waren alle Fabriken, Unternehmen, Schulen usw. im ganzen Land geschlossen. Der Binnenurlaub wird gefördert, so dass wir uns schnell an Menschenmassen gewöhnen mussten und verlängerte Fahrzeiten wegen Staus auch für uns eingeplant wurden.
In Peking schoben wir uns daher durch die Verbotene Stadt, den Sommerpalast und Himmelstempel. Unser Führer Fu hatte gut zu tun, seine 14 Schäfchen der Reisegruppe zu hüten und beisammen zu halten.
Aber er beruhigte uns, denn jeder kann innerhalb kürzester Zeit gefunden werden, denn Kameras sind überall. In jeder Sehenswürdigkeit wird der Ausweis der Chinesen und auch unsere gescannt. Der Reisepass gehört in China an den Mann und die Frau.
Mehr als Sehenswürdigkeiten interessiert mich, wie die Menschen leben. Die traditionellen Hutongs von Peking – ein Gewirr aus kleinen und engen Gassen mit gerade mal zweistöckigen Häusern, schauen in ihrem grauen Betoncharme zwar nicht ansehnlich aus, man konnte jedoch das alte China erahnen. Mit Blumentöpfen davor und kletternden Kürbispflanzen über der Gasse sehen sie lebendiger aus als die in den Himmel ragenden sterilen und geklonten Hochhäuser, wo rein gar nichts von außen auf seine Bewohner schließen ließ. Keine Pflanzen, keine Banner, keine Wäscheleinen, kein Fensterschmuck. Das meiste sollen Eigentumswohnungen sein. Die 30 Millionen Einwohner Pekings wollen untergebracht sein. Dafür zieren Straßen und Parks prächtige Blumenrabatten in leuchtenden Farben.
Von Peking ging es für eine Nacht und einen Tag an die Große Mauer – eines der 7 Weltwunder der Neuzeit. 21.000 km ist sie lang und schlängelt sich auf den Bergrücken entlang, um China einst vor den Mongolen zu schützen. Wir hatten Nieselwetter, aber einen tollen weiten Blick auf die Gebirgsketten und Stauseen. Während der 5 km langen Strecke auf der Mauer mit seinen Auf und Ab und 21 Wehrtürmen kamen wir so arg ins Schwitzen als würden in den Alpen kraxeln.
Getreu dem chinesischen Sprichwort: „Es ist kein wahrer Held, der nicht auf die Große Mauer gestiegen ist.“ So fühlten wir Fünf uns, die die ganze vorgesehene Strecke abgewandert sind.
Die nächste Station bildete Xi‘an mit seiner 14 km langen Stadtmauer aus dem 14. Jahrhundert. Das kann man nicht ablaufen. Das dachten sich auch die Chinesen und errichteten einen Fahrradverleih auf der gut 20 m breiten Mauer, die Platz für alle bot. Die Mauer war von roten Lampions gesäumt, an denen je nach Himmelsrichtung der Tiger (Westen), die Schildkröte und der Kranich (Norden), der Drachen (Osten), der Phönix (Süden) dargestellt waren.
Die Armee des 1. Kaisers in China mit den naturgetreuen, mannshohen Terrakotta-Figuren am Vormittag und die Wildgans-Pagode am Abend mit seinem Wasserspiel zu Musik- und Lasershow waren Orte, die neben uns weitere tausend Menschen anzogen.
Trotz der für uns doch gefühlt überzähligen Chinesen mit der stolzen Anzahl von 1,3 Milliarden, haben sie auch mit dem demographischen Wandel zu kämpfen. Man sagt die Halbierung der Einwohnerzahl voraus, was sich bereits an der Geburtenrate ablesen lässt. Obwohl der Staat von der 1-Kind-Politik bereits abgerückt ist, wurden zuletzt nur 5 Millionen Kinder geboren, wo es sonst 10 Millionen im Jahr waren.
Wenn man sich die jungen Leute so anschaut, sind die wie im Westen sehr mit sich beschäftigt und vielleicht nicht mehr an Familiengründung interessiert.
Wir haben an den Sehenswürdigkeiten so viele Frauen, Mädchen und ein paar wenige Männer in traditioneller Kleidung posen sehen, dass es hier auch viel um Selbstdarstellung geht. Irgendein Instagram-Pendant wird es auch hier geben.