Tibet – Dach der Welt
Tibet – Dach der Welt

Tibet – Dach der Welt

Auf ins neue Abenteuer...

In Xi’an nehmen wir am Morgen den Schnellzug der Klasse 2 mit einem Schnitt von 250 km/h und fahren in vier Stunden knapp 1000 Kilometer Richtung Westen. Pünktlich.
Xining gilt als Tor zu Tibet, liegt auf etwa 2000 m NN und ist muslimisch geprägt. Wobei muslimisch sich in China nicht so anfühlt und aussieht, wie man es erwarten würde. So hat die dortige Moschee kein Minarett, dafür ein typisch chinesisches Dach. Männer tragen Takke und langen, aber spärlichen Bart, Frauen teils Kopftuch.
Der Markt entlang der Straße ist gesäumt mit erwartungsgemäß Unerwartetem. Macht euch gern selbst ein Bild.
Xining verlassen wir bei 8 Grad und Dauerregen mit der Lhasa-Bahn um 16:40 Uhr. Wieder pünktlich. Erwartete Ankunft in Lhasa am Folgetag um 14:02 Uhr.

Wir richten uns zu viert im Schlafabteil 8 des Wagens 8 für die Nacht ein. Zu sehen gibt es nicht viel; bis zum Einbruch der Dunkelheit passieren wir Tunnel um Tunnel, dazwischen jeweils kurz herbstlich gefärbte Landschaften.
Den größten Salzsee Chinas, den 4500qm großen Qinghai-See auf 3196 m NN erleben wir noch im Tageslicht, bevor die Nacht hereinbricht. Immer höher klettert die Bahn und erreicht Höhen von über 4000 m NN rauf auf das Qinghai-Tibet-Plateau. Trotz starker Müdigkeit finden wir – bedingt durch die große Höhe kaum Schlaf. Die extrem harte Matratze trägt auch ihren Teil bei. Im Abteil wird es immer kälter und ist ohne dicke Jacken kaum zu ertragen. Eisenbahnromantik? Eher nicht.

Halb sechs schleiche ich aus dem Abteil und setze mich in den Gang, der zwei, drei Grad wärmer scheint. Ein paar Chinesen sitzen dort ebenfalls und haben sich an die Sauerstoffversorgung angeschlossen. Auch meine Sauerstoffsättigung sinkt teils bis auf 73% ab, der Puls ist entsprechend hoch. Ab etwa 7:00 Uhr kann man die Silhouetten der Berge erkennen, was für Ablenkung sorgt. Die höchste Bahnstation der Welt auf 5098 m NN haben wir nachts, den höchsten Pass mit 5200 m NN „kurz“ vor Lhasa passiert, bevor wir dort auf 3650 m NN bei 19 Grad und Sonnenschein überpünktlich um 14:00 ankommen.
Unsere tibetische Reiseleiterin heißt uns mit der typischen weißen Khata willkommen und versucht uns auf der Busfahrt zum Hotel schon ein paar Brocken Tibetisch zu vermitteln. Allerdings sind wir alle zu platt von der Nacht und der Höhe, dass wir eigentlich nur noch ins Bett wollen.

Am nächsten Morgen steht das Highlight der Reise an: der Potala- oder Winterpalast des Dalai Lama. Nach einem knappen, von Appetitlosigkeit geprägtem Frühstück stehen wir um 9:20 Uhr bei strahlend blauem Himmel und 4 Grad überwältigt vor den Stufen dieses prächtigen Palastes mit 999 Zimmern. Der untere Teil ist weiß getüncht mit Naturfarben aus Kalk, Yak-Milch, Zucker, Safran. Dieser Anstrich wird jährlich vor dem Neujahrsfest wiederholt und dauert aufgrund der vielen ehrenamtlichen Helfer nur zwei Wochen. Dieser Teil war vor der „Kulturrevolution“ Chinas, Wohnstätte der tausend Mönche und Amtssitz der Regierung.
Auf den weißen Teil aufbauend sitzt der rote Palast des Dalai Lama. Bis dorthin brauchen wir über eine Stunde über unzählige Treppen. Immer wieder müssen wir pausieren weil wir außer Atem sind. In den Pausen lauschen wir unserer Reiseleiterin und machen sehr viele Fotos. Leider war innerhalb der roten Mauern das Fotografieren verboten – überwacht wie überall in China durch Kameras in jeder Ecke. Überall brennen Kerzen aus Yak-Butter, was geruchlich keineswegs überzeugt, Pilger füllen die Butterfässer auf und verteilen unzählige kleine Geldscheine an allen erdenklichen Ecken. Mönche sammeln das Geld in großen Wannen und sortieren und zählen, um es später gegen größere Scheine zu tauschen, bei Pilgern selbst oder Händlern, die vor den Palästen und Klostern stehen. Ein wenig erinnert das an den Ablasshandel der katholischen Kirche – aber das nur am Rande.
Es gibt dutzende große Buddhafiguren und tausende kleinere in den Vitrinen der Gebetsräume. Der aktuelle Dalai Lama – jeder kennt seine Geschichte aus „Sieben Jahre in Tibet“ – musste in den 1950er Jahren nach Indien flüchten. Seine Reinkartnation wurde im Alter von zwei Jahren „gefunden“ und er mit fünf Jahren inthronisiert. Mittlerweile ist er 90 Jahre alt. Eine Rückkehr nach China würde zumindest seine Inhaftierung bedeuten.

Im Laufe der Woche gewöhnen wir uns langsam an die Höhe, besuchen noch einige Klöster und genießen die klare, wenn auch dünne Luft und die fantastischen Farben der Landschaft. Aber seht selbst.